Wieder einmal hat ein um sein Eigentum besorgter Vermieter Kamera-Attrappen in Mietshäusern angebracht, wogegen ein Mieter, der sich in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sah, geklagt hat. Das AG Frankfurt (M) betrachtet die Sachlage mit Urteil vom 14.01.2015; Az.: 33 C 3407/14 differenziert. Wir stellen das Urteil für Sie dar.
Sachverhalt
Der Kläger ist Mieter in einem Mehrfamilienhaus. Im Juni 2014 stellte der Kläger fest, dass im Hauseingangsbereich des von ihm bewohnten Hauses und des Nachbarhauses Kameras angebracht worden waren. Des Weiteren bemerkte er an der Hauswand in Richtung der Mülltonnen eine Kamerahalterung, jedoch ohne Kamera. Die Mietparteien wurden durch Aushang darüber informiert, dass ab Juli 2014 eine Überwachungsanlage zum Einsatz käme, die der Sicherheit sowie der Feststellung von Störern dienen solle.
Nach Auskunft des Vermieters seien die Kameras jedoch weder an Aufnahme- noch an Aufzeichnungsgeräte angeschlossen; dies sei auch für die Zukunft nicht geplant.
Problem Kamera-Attrappe
Das Gericht entschied bezüglich der Kamera(-Attrappe) zugunsten des Mieters. Die
„Installation von Videokameras als auch die Installation von Kameraattrappen im Hauseingangsbereich stelle einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters dar.“
Allein schon durch die Attrappe befinde sich der Mieter unter dem Eindruck ständiger Überwachung. Wie auch andere Gerichte und Aufsichtsbehörden bereits festgestellt haben, wird dadurch die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt, weil nicht auszuschließen ist, dass der Mieter sich gezwungen sieht, sein Verhalten aufgrund der Überwachung zu ändern.
„Das Vorhandensein einer Videoüberwachungsanlage stellt vielmehr auch einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, wenn sich der Benutzer eines überwachten Bereichs einer ständigen Kontrolle seiner Bewegungen und derjenigen seiner Besucher ausgesetzt sieht.“ […] „Denn in diesem Fall stellte jedenfalls die mit der Anbringung einer Attrappe verbundene Androhung der ständigen Überwachung der Bewegungen des Klägers und seiner Besucher im Hauseingangsbereich eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Klägers dar. Denn schon das Vorhandensein von täuschend echten Kameraattrappen, deren mangelnde Eignung zur Fertigung von Bildübertragungen oder -aufzeichnungen dem Kläger nicht durch den Vermieter selbst mitgeteilt und plausibel gemacht worden ist, setzte den Kläger einem permanenten Überwachungsdruck aus.“ (AG Lichtenberg Beschluss vom 24. Januar 2008 – Az. 10 C 156/07)
„Eine Beeinträchtigung des Gemeinwohls durch Videoüberwachung liegt schon dann vor, wenn die Menschen die begründete Befürchtung haben, sie würden gefilmt. Es ist insofern unerheblich, ob die aufgenommenen Bilder aufgezeichnet und ausgewertet werden oder ob sie nur durchlaufen, ja ob da nur eine Kamera-Attrappe hängt oder nur behauptet wird, hier werde videoüberwacht“ (Dr. Thilo Weichert SECURITY-Kongress 2000 vom 9.-12. Oktober 2000 in Essen)
Nur wenn besondere Umstände vorlägen, könnte diese Überwachung gerechtfertigt sein. Als besondere Umstände lässt das Gericht aber nicht ausreichen, dass die Kameras zur Abschreckung vor Vandalismus und Einbruchsdiebstahl dienten und die allgemeine Sicherheit um das Haus erhöhten.
Grundsätzlich ist in solchen Fällen zu beachten, dass der Eigentümer nach Art. 14 GG das Recht hat, geeignete und erforderliche Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums zu ergreifen. Die Maßnahme muss aber immer im Einzelfall verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass sie geeignet und erforderlich und im Verhältnis zum Zweck angemessen sein muss.
Problem Nachbareingang
Die Installation der Kamera wird auch im Eingangsbereich des Nachbarhauses nicht anders beurteilt. Das Gericht unterscheidet allerdings bezüglich der Betroffenheit des Mieters. Er müsse nicht an dem dortigen Hauseingang vorbeigehen um zu seinem Haus zu kommen, sodass er dem überwachten Bereich ausweichen könne. Nur die Mieter des Nachbarhauses seien von der Überwachungsmaßnahme betroffen und könnten daraus einen Anspruch auf Beseitigung ableiten.
Problem noch nicht installierte Kamera
Treffend führt das Gericht aus, dass eine nicht vorhandene Kamera auch nicht entfernt werden kann. Zur Erinnerung: Der Mieter hatte nur die Halterung für eine Kamera entdeckt und klagte dann auf Entfernung der Kamera. Möglicherweise hätte ihn eine Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass an angegebenem Ort keine Kamera angebracht werden dürfe, weitergebracht.
Eindeutige Linie der Rechtsprechung
Dieses Urteil bekräftigt die bisherige Linie der Gerichte und Aufsichtsbehörden: Kamera-Attrappen sind wegen des Überwachungsdrucks, der auf die Betroffenen ausgeübt werden kann, wie Kameras zu bewerten. Diese sind im Regelfall in Mietshäusern unzulässig. Nur im Einzelfall konkrete, gravierende Gründe können die Installation von Kameras oder Attrappen rechtfertigen.
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