Achtung Videoüberwachung! Doch am Ende erfolgt keine Aufzeichnung, da es sich um eine Kamera-Attrappe handelt. Unabhängig davon, ob sie real oder unecht sind: Durch den Überwachungsdruck greift eine Kamera in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen ein. Daher erklärt der Beitrag, was zu beachten ist, wenn man Kamera-Attrappen anstatt einer Videoüberwachungsanlage einsetzt.
Unterschiede beim Einsatz von Kamera-Attrappen zur Videoüberwachung
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ergeben sich Unterschiede beim Einsatz von Attrappen zur Videoüberwachung. Diese können sich in der Praxis durchaus als Vorteile gegenüber der klassischen Videoüberwachung entpuppen.
Keine Datenverarbeitung und somit keine Anwendung der DSGVO und des BDSG
Vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) war es umstritten, ob der Einsatz einer Kamera-Attrappe sich analog an den Vorgaben der Videoüberwachung des § 6b BDSG a.F. messen zu lassen hat, da von der Attrappe eine ähnliche Wirkung wie von einer Videoüberwachungsanlage ausgeht. Nach dem Inkrafttreten der DSGVO und der Regelung des Anwendungsbereichs nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO wurde Klarheit in der Diskussion geschaffen. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der DSGVO, ist das Vorliegen einer Datenverarbeitung. Im Umkehrschluss heißt es:
„Wenn keine Datenverarbeitung erfolgt, so ist der Anwendungsbereich der Datenschutzgesetzte auch nicht eröffnet.“
Bei einer Kamera-Attrappe erfolgt faktisch keine Aufnahme und von daher können auch keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Demnach ist eine tatsächliche Datenverarbeitung von vornherein auszuschließen und die DSGVO sowie das BDSG sind nicht anwendbar. Gegenwärtig stellt diese Auffassung die herrschende Meinung dar und wurde im Rahmen der Orientierungshilfe von der Datenschutzkonferenz (DSK) auch anerkannt.
Vorteile von Kamera-Attrappen gegenüber der Videoüberwachung
Die fehlende Anwendbarkeit der Datenschutzgesetze bringt positive Folgen mit sich. Als Vorteile einer Attrappe gegenüber der Videoüberwachung lassen sich folgende Punkte festhalten:
- Dem Betriebsrat werden keine Mittbestimmungsrechte eingeräumt. Mehr zum Thema Betriebsrat und der Videoüberwachung ist aus unserem Beitrag „Videoüberwachung: Wenn der Betriebsrat nichts zu melden hat“ zu entnehmen.
- Des Weiteren ist die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung nicht erforderlich, da keine Datenverarbeitung vorliegt, die voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge haben kann und der Regelfall des Art. 35 Abs. 3 DSGVO nicht eintritt. Verantwortliche sind somit auch nicht verpflichtet nach § 38 Abs. 2 BDSG einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen.
- Und der größte Vorteil liegt daran, dass keine DSGVO-Bußgelder oder andere Anordnungen der Aufsichtsbehörden drohen können. Unter die Befugnisse der Aufsichtsbehörden fällt nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO die Ermächtigung, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen. In einem Fall entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Urt. V. 25.06.21 – Az. 10 A 10302/21, dass der Abbau einer abgeschalteten Überwachungskamera nicht aufgrund der DSGVO von der Aufsichtsbehörde angeordnet werden durfte. Mehr zu dem Fall und die Folgen der Rechtsprechung haben wir in unserem Beitrag „Rechtswidrige Abbauordnung einer Überwachungskamera“ thematisiert.
Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Überwachungsdruck
Trotz aller Vorteile, die mit einer Attrappe einhergehen, ist mit einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu rechnen. Die Rechtsprechung (Bundesgerichtshof, Urt. V. 16.03.10 – Az. VI ZR 176/09) ordnet diesen folgendermaßen ein:
„Ein Unterlassungsanspruch kann auch bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen („Überwachungsdruck“) […]
Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, NJW 2009, 1827) oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon aufgrund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein.“ Rn. 13, 14
Der Sinn und Zweck hinter einer Kamera-Attrappe ist es, den Eindruck zu erwecken, dass eine Videoüberwachung erfolgt. Dabei ist das Ziel, das Verhalten von Menschen in eine gewisse Richtung zu lenken, wodurch ein sog. Überwachungsdruck entstehen kann.
Eine weiteres Urteil des Landgericht Berlin (Urt. v. 14.08.2018, Az. 67 S 73/18) geht davon aus, dass ein Überwachungsdruck gegeben ist, wenn
„… nicht mittels rein äußerlicher Wahrnehmung zu erkennen ist, ob auch bei tatsächlich nicht erfolgender Überwachung andauernd eine bloße Attrappe oder eine Videokamera-Anlage mit Aufzeichnungen betrieben wird, mithin wenn die Attrappe täuschend echt ist.“
Folglich macht es im Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht kaum einen Unterschied, ob es um eine echte Kamera oder nur eine Attrappe handelt: In beiden Fällen kann die Geräte zu einem Überwachungsdruck führen, der einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet.
Was gibt es beim Aufstellen von Kamera-Attrappen zu beachten?
Entweder müssen die Kamera-Attrappen so aufgestellt werden, dass nicht der Anschein besteht, dass diese Dritte, angrenzende öffentliche Bereiche, benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugänge zu diesen erfassen und somit kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter vorliegt oder es muss für den Einzelfall eine Abwägung vorgenommen werden, ob das Interesse des Betreibers der Attrappe dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegt.
Interessenabwägung
Gerade im Kontext von Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es einige Beispiele aus der Rechtsprechung, welche Anhaltspunkte für die Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter und den Ausgang der Interessenabwägung liefern. So überwiegt ein generell geltend gemachtes Interesse, sein Eigentum vor unberechtigten Übergriffen Dritter zu schützen, regelmäßig nicht dem Persönlichkeitsrecht der Person, die dem Überwachungsdruck ausgesetzt ist. Das Landgericht Essen hat in seinem Urteil vom 30.01.2019 – Az. 12 O 62/18 dazu ausgeführt:
„Ob eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtswidrig ist, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und durch Vornahme einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung zu beantworten (…). Damit die Abwägung zu Gunsten des Nutzers der Videokamera ausfallen kann, muss die Überwachung zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen erforderlich und die drohende Beeinträchtigung auf andere Weise nicht zu verhindern sein.“ Rn. 42
„Eine rein vorsorgliche Überwachung des Wohnungseigentums, welche nicht an bereits an begangene Taten anknüpft, ist unverhältnismäßig.“ Rn. 43
Das Landgericht Berlin (Az. 67 S 73/18) fordert für eine Kamera-Attrappe in einem Hausflur eines Mehrparteienhauses sogar, dass eine dauerhafte Gefahr hinreichend schwerwiegender nachteiliger Beschädigungen des Eigentums vorliegen müsse. Leichtere Diebstähle, Sachbeschädigungen, etc.würden noch nicht ausreichen.
Information möglicher Betroffener kann Überwachungsdruck verringern
Wenn eine Attrappe zur Abschreckung fremder Personen eingesetzt wird, können Informationen an betroffene Personen (z.B. Mieter, Nachbarn oder Beschäftigte) den Überwachungsdruck verhindern und somit die Wirkungen der Attrappe abmildern (vgl. Amtsgericht Schöneberg, Urt. v. 30.07.2014 – Az. 103 C 160/14).
Einer anderen Auffassung ist beispielsweise das Landgericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2018 – Az. 67 S 305/17:
„(…) da der verbleibende Überwachungsdruck auch nach dem Hinweis der Beklagten auf die Installation von bloßen Attrappen weiterhin für Besucher des Klägers und für Dritte aber auch für den Kläger selbst verbleibt, wenn äußerlich bei den mit einer funktionierenden LED-Lampe versehenen Kameras nicht zu erkennen ist, ob weiter eine bloße Attrappe oder – gegebenenfalls nach technischer Veränderung – eine Kamera mit Aufzeichnung betrieben wird. Dies gilt umso mehr, als anderenfalls der Kläger laufend die Gegebenheiten genau prüfen müsste, um sich zu vergewissern, ob es bei der Attrappe geblieben ist (…).“
Es kommt also auf die Argumentationsweise an, ob und wie der Überwachungsdruck, je nach den Umständen des Einzelfalles, gegeben ist. Pauschal ist hierzu keine allgemeine Aussage möglich, sondern es bedarf der Abwägung zwischen den verfolgten Zielen und der Beeinträchtigung der Rechte von betroffenen Personen.
Jedenfalls kann man ins Felde führen, dass eine Attrappe im Vergleich zu einer echten Videoüberwachung in vielen Fällen als das mildere Mittel zu betrachten ist.
Der Schein kann trügen
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, statt einer Videoüberwachung eine Kamera-Attrappe einzusetzen. Der Unterschied liegt dabei in erster Linie bei der Anwendbarkeit der Datenschutzgesetze. Solange keine Datenverarbeitung erfolgt, solange ist die DSGVO auch nicht anwendbar. Das bringt gewisse Vorteile mit sich: Beispielsweise drohen bei Attrappen keine DSGVO-Bußgelder. Auch wenn diesmal nicht die DSGVO der Spielverderber ist, können den betroffenen Personen aber zivilrechtliche Ansprüche (Beseitigung, Unterlassung oder Schadensersatz §§ 823 Abs.1, 1004 Abs. 1 BGB analog) zu stehen. Der Hintergrund hierfür ist der Überwachungsdruck, welcher einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründen kann. Vor dem Aufstellen einer Kamera-Attrappe sind daher die Interessen aller beteiligten Personen abzuwägen.
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